Erste Etappe: Ein holpriger Start und die erste Begegnung mit japanischer Gastfreundschaft – und Zukunftstechnologie
Unsere Reise nach Japan hätte nicht chaotischer beginnen können. Der Startpunkt: München Flughafen. Das Problem? Wir haben aus purer Dummheit unseren Flug verpasst. Was folgte, war eine emotionale Achterbahnfahrt – Krise, Wut, Resignation. Doch nach einem Moment des absoluten Tiefpunkts und der Tränen, rafften wir uns auf, buchten kurzfristig einen neuen Flug mit Emirates und standen plötzlich wieder auf der Matte. Ironischerweise landeten wir am Ende sogar eine Stunde früher in Tokio, als es mit unserem ursprünglichen Flug der Fall gewesen wäre.

Fast 24 Stunden Flugzeit, ein Zwischenstopp in Doha, dann endlich Ankunft in Tokio – spät in der Nacht, völlig übermüdet und ohne jegliche Orientierung. Das erste Problem ließ nicht lange auf sich warten: Wir hatten kein Bargeld. Der erste ATM versagte bei mir. Bei Simon funktionierte er. Also gut, wenigstens das.
Die große Ankunftshalle wurde unser erstes kleines Labyrinth. Etage rauf, Etage runter. Die Ticketautomaten für die Bahn? Japanisch, verwirrend, ungewohnt. Also sprach ich zwei asiatisch aussehende Männer auf Japanisch an und fragte nach einem bestimmten Viertel. Sie lachten – und antworteten mir auf Englisch. „We are from Hong Kong, not Japan.“ Ein Moment der Erkenntnis: Wie oft stecken wir Menschen unbewusst in Schubladen?
Doch die beiden halfen uns trotzdem und zeigten uns die richtige Bahn. Wir stiegen an der gleichen Station aus, liefen wirr durch die Straßen und fanden schließlich einen Lawson, einen der typischen japanischen Convenience Stores. Ich beschloss, dort nicht nur Wasser und Snacks, sondern auch vier Bier zu kaufen – Prioritäten setzen! Außerdem wollte ich die Gelegenheit nutzen, um nach dem Weg zu unserer Unterkunft zu fragen.
Der Verkäufer reagierte auf eine Art, die mich tief beeindruckte. Ohne zu zögern, verließ er seinen Kassenbereich, ließ den Laden unbeaufsichtigt und begleitete uns nach draußen. Mit Gesten versuchte er uns den Weg zu erklären, gab mir sogar mit seinem Handy einen Hotspot, um uns die Route auf einer Karte zu zeigen. Dann wollte er uns tatsächlich noch persönlich hinbringen! Ich versicherte ihm, dass das nicht nötig sei, bedankte mich auf Japanisch, und wir zogen weiter.
Nach einigen weiteren Minuten des Suchens fanden wir schließlich unsere Unterkunft – und merkten sofort: Japan lebt bereits im Jahr 2050. Per Airbnb hatte ich vorab einen Code aufs Handy geschickt bekommen. Ich gab diesen an einer kleinen Tastatur an der Eingangstür ein – die Tür öffnete sich automatisch. Dahinter erwartete mich eine Schleuse.
Vor mir eine Theke mit einem QR-Code, den ich scannen sollte. Nach erfolgreichem Scan erschien eine Anweisung: Ich musste einen weiteren Code auf einer Tastatur eingeben und meinen Personalausweis bereithalten. Plötzlich schaltete sich eine Kamera ein, die ihren Kopf langsam in meine Richtung drehte – gesteuert vom Besitzer aus der Ferne. Ich sollte in die Kamera schauen, ein Foto wurde gemacht. Dann hielt ich meinen Pass in die Kamera – ebenfalls ein Foto. Eine Stimme fragte mich, wie lange ich bleibe und ob ich gerade erst angekommen sei.
Nach der kurzen virtuellen Kontrolle erhielt ich eine neue Pop-up-Nachricht mit einem weiteren Code, um die nächste Tür zu öffnen. Darin stand auch die Nummer unseres Zimmers sowie dessen Zugangscode. Sprachlos gingen wir in den Flur, stiegen die Treppen hinauf und standen schließlich vor unserer Tür. Code eingegeben – Tür auf.
Drinnen erwartete uns ein winziges, aber clever designtes Zimmer, in dem wirklich jeder Millimeter optimal genutzt wurde. Bewegungsfreiheit? Nur einzeln. Aber das war egal. Wir ließen unsere Sachen fallen, setzten uns aufs Bett, tranken jeder zwei Bier, duschten schnell und fielen dann erschöpft ins Bett. Es dauerte nicht lange – wir schliefen tief und fest.
Japan hatte uns schon in den ersten Stunden völlig überrumpelt. Und wir waren gespannt, was als Nächstes kommen würde.



Tag 2: Orientierungslos in Tokio – Ohne Internet, aber mit Bauchgefühl
Nach einer kurzen Nacht in unserer ersten Unterkunft, die wir nur wegen der Nähe zum Flughafen gewählt hatten, klingelt früh am Morgen der Wecker. Wir wollen dem Jetlag keine Chance geben. Also raus aus dem Bett, Elektrolyte trinken, duschen, packen. Obwohl ich meine japanische E-SIM-Karte bereits in München aktiviert habe, geht sie immer noch nicht. Großartig. Wir stehen also in Tokio – ohne Internet, ohne Maps, ohne jegliche digitale Hilfe.

Erster Stopp: der Lawson von gestern Nacht. Kaffee, Snacks – und für mich das legendäre japanische Eiersalat-Sandwich. Mit unserem Frühstück in der Hand laufen wir zur Bahnstation, an der wir am Vorabend ausgestiegen sind. Die Herausforderung: das Ticket-System verstehen. Alles ist auf Japanisch, Kanji überall. Wir brauchen eine Verbindung ins Asakusa-Viertel – irgendwie. Nach einigen Minuten des ratlosen Starrens auf Fahrpläne beschließen wir, erst einmal in Ruhe unseren Kaffee zu trinken. Danach kaufen wir mehr oder weniger planlos irgendwelche Tickets und stehen auf einem Bahnsteig, in der Hoffnung, dass das hier die richtige Richtung ist.


Wir warten. Und warten. Fast eine Stunde vergeht, doch unser Zug taucht nicht auf. Schließlich frage ich zwei junge Japanerinnen um Hilfe. Sie erklären mir, welche Linie wir nehmen müssen. Eine ältere Frau, die unser Gespräch mitbekommen hat, ruft mir 15 Minuten später noch eine andere Zugnummer zu. Okay – es reicht. Wir steigen einfach irgendwann ein.
Der Zug setzt sich in Bewegung. Endlich! Während wir die vorbeiziehende Landschaft aufsaugen, merke ich immer mal wieder, wie meine Tattoos für Aufmerksamkeit sorgen – ein älterer Japaner hatte mich am Bahnsteig sogar regelrecht böse angesehen.
Nach einer halben Stunde Fahrt steigen wir aus. Wir entscheiden uns, den Rest des Weges zu Fuß zu gehen – durch den Untergrund Tokios. Zwischen Gates, Kanji-Schildern und unendlich vielen Menschen treiben wir durch ein Labyrinth aus Gängen und Treppen. Treppen rauf, Treppen runter, Treppen raus, Treppen runter, mit dem 12 kg Rucksack auf dem Rücken ein echtes Workout. Laufen, Laufen, Treppen hoch, Treppen runter, gehen raus, es regnet, 12-kg-Rucksack runter, Hoodie anziehen, 12-kg-Rucksack wieder rauf. Laufen, Laufen, Treppe runter, Treppe wieder rauf. Ohne Internet folgen wir einfach unserem Bauchgefühl.
Nach über einer Stunde Fußmarsch stehen wir endlich vor unserem Hostel – versteckt in einer schmalen, verwinkelten Gasse, von der Hauptstraße nicht einsehbar. Geschafft. Doch als wir einchecken wollen, stellt sich heraus: Wir sind eine Stunde zu früh.


Wir setzen uns auf eine Bank, chillen und versuchen verzweifelt, mein Internet zum Laufen zu bringen. Keine Chance. Also beschließen wir, uns ein wenig im Viertel umzusehen und etwas zu essen.
Wir landen in einem winzigen Tempura-Restaurant, das nicht mehr als vier Tische hat. Zwei ältere Köche stehen hinter der Theke, alles ist aus dunklem Holz. Es läuft japanischer Punkrock. Wir bestellen per Tablet: Süßkartoffel-, Pilz- und Auberginen-Tempura, dazu Miso-Suppe, Reis und Bier. Während wir unsere dampfenden Teller in dem gemütlichen Restaurant genießen, trocknen wir langsam auf und wärmen uns von innen.
Nach dem Essen geht es zurück zum Hostel – diesmal dürfen wir unser Zimmer beziehen. Alles ist sauber, minimalistisch und durchdacht. Die Toiletten und Waschbecken befinden sich auf dem Flur, die Gemeinschaftsduschen im Erdgeschoss.




Doch der Abend ist noch nicht vorbei.
Ein nächtlicher Abstecher zum Sensō-ji-Tempel in Asakusa
Nachdem wir uns im Hostel eingerichtet und kurz durchgeatmet hatten, zog es uns noch einmal raus – direkt zum berühmten Sensō-ji-Tempel, dem ältesten und wohl bekanntesten Tempel Tokios. Es war bereits Abend und der große Donner-Tor-Eingang leuchtete rot im Dunkeln. Die Papierlaternen flackerten leicht im Wind, während wir durch die leeren Gassen schlenderten. Es nieselte, war nass und kalt.


Vor dem Tempel entdeckte ich die kleinen Metallkästchen mit Holzstäbchen– das berühmte Omikuji-Orakel. Natürlich musste ich mein Glück versuchen. Ich warf eine 100-Yen-Münze ein, schüttelte den Metallzylinder und zog einen Stab mit einer Nummer. In einer der vielen Schubladen lag meine Botschaft bereit. Ich entfaltete vorsichtig die Papierrolle – und zu meiner Erleichterung versprach mir das Orakel viel Glück. Ein gutes Omen für den Start in unser Japan-Abenteuer!
Wir verweilten noch eine Weile in der mystischen Atmosphäre, betrachteten die beeindruckenden goldenen Statuen und die verzierte Pagode, bevor wir schließlich durch die Straßen Asakusas zurück zum Hostel schlenderten – erschöpft, aber voller Vorfreude auf die kommenden Tage.

Unterwegs sehen wir außerdem einen Don Quijote und beschließen dort auch noch hineinzugehen. Reizüberflutung vom aller feinsten.



Wir ziehen außerdem noch einmal los, decken uns im Lawson mit Snacks, Bier und Wasser ein und machen es uns dann in unserem Zimmer gemütlich. Vor unserer großen Fensterfront stehen zwei Stühle. Wir setzen uns hin, öffnen ein Bier und beobachten die vorbeiziehenden Menschen in den engen Gassen Asakusas.

im Lawson




Plötzlich fällt unser Blick auf eine Gruppe Chinesen, die auf der Straße wild gestikuliert. Es dauert einen Moment, bis wir verstehen: Sie haben sich ausgesperrt. Ich stehe auf, gehe runter – und öffne ihnen die Tür.
Tokio: Zwischen Großstadttrubel, Tempeln und einer neuen Reisebekanntschaft
Die nächsten Tage in Tokio waren geprägt von endlosen Erkundungstouren zu Fuß – durch schmale Gassen, über belebte Straßen und in die pulsierenden Viertel der Metropole. Am nächsten Tag verschlug es uns nach Shinjuku, eines der bekanntesten Shopping-Viertel Tokios geführt. In einem Beauty-Store verlor ich mich völlig – eine halbe Ewigkeit später und 150 Euro ärmer (davon 100 Euro für Souvenirs für meine Schwester) trat ich mit prall gefüllten Tüten wieder auf die Straße. In Shinjuku gingen wir dann außerdem essen und landeten einem Café, welches auch italienische Spaghetti anbot.



Danach führte unser Weg nach Shibuya, wo wir die berühmte Shibuya-Kreuzung beobachteten, ein endloses Menschenmeer, das sich bei jeder Grünphase chaotisch, aber gleichzeitig perfekt geordnet über die Straßen ergoss. Nach all dem Trubel, gönnten wir uns noch mehr Trubel: Das MEGA Don Quijote mit keine-Ahnung-wie-vielen-Etagen. Anschließend landeten wir in einer coolen mexikanischen Bar, ließen uns Quesadillas und ein Bier schmecken und genossen den Kontrast zwischen Tokio und lateinamerikanischen Vibes.






Ein verrückter Guide im Sensō-ji-Tempel
Natürlich durfte auch ein Besuch des Sensō-ji-Tempels an einem anderen Tag bei Tageslicht nicht fehlen. Wir schlenderten durch das geschäftige Treiben, als plötzlich ein älterer Japaner auf uns zukam und uns freundlich ansprach. Ehe wir uns versahen, hatte er uns durch den halben Park geführt, unser Sternzeichen erfragt und uns an diversen Spots für Fotos posiert. So nett er auch war, es war gar nicht so einfach, ihn wieder loszuwerden. Ich konnte es kaum glauben, dass er uns wirklich ohne Hintergedanken einfach so herumführen wollte – zu oft hatte ich in anderen asiatischen Ländern erlebt, dass solche Begegnungen am Ende auf einen Trick oder eine Verkaufsmasche hinausliefen. Doch in diesem Fall schien es tatsächlich pure Nettigkeit / Japanese Crazyness gewesen zu sein.


Neue Bekanntschaften aus Hamburg
Eines Abends stand Simon draußen vor dem Hostel, als sich ein paar Typen unter das Dach stellten, um dem Regen zu entgehen. Als wir ihnen auf Deutsch grüßten, freuten sie sich sofort – auch Deutsche, aus Hamburg. Wir kamen ins Gespräch und verstanden uns auf Anhieb. Einen Abend später saßen wir gemeinsam im Aufenthaltsraum des Hostels, tauschten Reisegeschichten aus, tranken Bier und lachten über die ersten Eindrücke von Tokio.



Währenddessen knackte Simon endlich das Problem mit meiner E-Sim. Nach etlichen Versuchen, Neustarts und Flüchen stellte sich heraus, dass ich nur eine bestimmte Nummer beim VPN hätte eingeben müssen. Endlich Internet!
Die To-Do-Liste für den Abreisetag wächst…
Unsere Zeit in Tokio neigte sich dem Ende zu, doch bevor es weiterging, stand noch einiges auf der Liste:
- Unser Shinkansen-Ticket (das wir vorab online gekauft hatten) in ein echtes Ticket umwandeln.
- Die Suica Tourist Card aktivieren – geht nur am Hauptbahnhof.
- Bargeld abheben – und hoffentlich endlich einen ATM finden, der meine Karte akzeptiert.
- Herausfinden, wie wir an unser nächstes Ziel kommen – einen magischen Ort, von dem ich bis dahin nur ahnen konnte, dass ich unbedingt dorthin will. Im Nachgang, mein Reise-Highlight!
Wie sich herausstellte, hatten die Jungs aus Hamburg dasselbe Ziel – mit dem Shinkansen. Also beschlossen wir, zusammen die Reise anzutreten. Ein kleines Abenteuer lag vor uns.
Tokio hat uns heute einiges abverlangt, aber irgendwie haben wir es geschafft, uns durchgewurstelt. 🙂