Aufgehende Sonne am Kanal

BOOTSFAHRT NACH SIEM REAP

Beladung des Pick Up Trucks am Pier, kurz vor der rasanten Fahrt.

5 Uhr in der Früh. Ich werde in dem dunklen Hotelzimmer ohne Fenster wach und ziehe meinen Hüttenschlafsack bis unter mein Kinn nach oben. Im Halbschlaf nehme ich Glöckchen und Gesang war. Mönchsgesang, wird mir klar. Ich schaue auf die Uhr. Die Uhrzeit lässt mich annehmen, dass die Mönche gerade auf ihrer morgendlichen „Bettelrunde“ durch die Straßen ziehen.

Voller Tatendrang mache ich die Taschenlampe in meinem Handy an, leuchte durch das Zimmer und renne aus unserem Apartment auf den Balkon-Flur. Die Dunkelheit schwindet allmählich und macht Platz für einen neuen Tag. Die Glöckchen und der Mönchsgesang sind nun richtig gut zu hören, aber sehen kann ich nichts. Die Straßen sind leer und hier und da sieht man Händler in den Tag starten. Das Licht und der Blick auf die leeren Straßen, geben ein wundervolles Bild von Battambang. Ich merke, wie sich ein Gefühl des Wohlbefindens einstellt. Als ich zurück ins Zimmer kehre, ist auch Mena war. Wir gehen duschen, machen unsere großen Reiserucksäcke und unseren Tagesrucksack startklar. Ein Teil unseres Proviants wurde jedoch über Nacht von Ameisen belagert. Wir entschließen uns einen Abstecher in einer französischen Bäckerei zu machen und verlassen das Zimmer, mit einem letzten Check.

An der Rezeption des Seng Hout Hotels angekommen, müssen wir lachen. Die 2 Mitarbeiter an der Rezeption schlafen noch und haben ein komplettes Moskitonetz über der Rezeption aufgebaut. Darunter eine Hängematte gespannt und ein Wurfzelt aufgestellt. Der Boden liegt voll mit Kissen und Decken. Es sieht sehr gemütlich aus und dann holt uns unsere Müdigkeit doch wieder ein klein wenig ein. Nach dem Check Out laufen wir die leere Straße entlang, Richtung Sangkar River. Wir bleiben jedoch innerhalb der Straßen und folgen dem Mönchsgesang. Gestern hatten wir in dieser Richtung, auf der Suche nach dem vegetarischen Restaurant, eine französische Bäckerei gesichtet. Es ist ein wundervoller Start in den Tag: das Licht, der Geruch, die Luft, der Klang, die Leere, die Atmosphäre – einfach alles ist zu diesem Zeitpunkt wunderschön und allmählich beginne ich mich ein wenig in Battambang zu verlieben.

Als der Gesang besonders laut wird, sehen wir auf einmal an der Straße ein riesiges buddhistisches Kloster. Pompöse, goldene buddhistische Tempelspitzen ragen über die Mauern hinaus und Frangipani-Bäume zieren das Mauerwerk. Wir bleiben stehen, machen ein paar Fotos und ziehen weiter, bis wir die französische Bäckerei sehen.

In der Bäckerei durchströmen uns die leckersten Düfte von Zucker, Zimt und anderen Backwaren. Ein Großteil der Backwaren ist jedoch noch nicht gebacken und dann entscheiden wir uns für ein paar undefinierbare Brote/ Gebäcke. Wir laufen weiter zum Sammelpunkt am Boots-Ticketshop. Dort steht bereits ein Pick Up mit Ladefläche und andere Touristen. Wir müssen warten. Zufrieden schlendere ich an den Kanal, schlürfe an meinem lang-ersehnten Kaffee, beiße in das Brot, welches sich als süßes Teilchen herausstellt und sehe dem Sonnenaufgang am Horizont zu. In der Ferne ist hinduistische Musik zu hören. Oh Battambang, du gefällst mir so gut.

Es dauert eine halbe Ewigkeit und allmählich werden die Touris auf den Pick Up mitsamt Gepäck geladen. Der Platz reicht kaum und in mitten der Ladefläche sitzt Mena zwischen all den Gepäckstücken. Noch immer können wir nicht fahren. Angeblich warten wir auf 2 weitere Personen die bereits eine halbe Stunde zu spät sind. Nach einer langen Wartezeit, erscheint das Pärchen und es geht los.

Sonnenaufgang am Sangkar River in Battambang Kambodscha um 6 Uhr Morgens.
Sonnenaufgang am Sangkar River in Battambang um 6 Uhr Morgens. Im Hintergrund sind buddhistische Mönche zu hören, die morgens durch die Straßen ziehen, um “zu betteln”.

Der Pick Up heizt mit einer Affengeschwindigkeit durch die nun unasphaltierten Straßen und Gassen Battambangs. Die Raserei wirbelt dabei die rote Erde auf und teilweise sind Einheimische mit ihrem Hab- und Gut gezwungen auf die Seite zu springen, oder zu fahren – natürlich mit Gehupe. Manche von Ihnen wollten gerade Wäsche aufhängen, oder ihre Teller auf dem Boden vor den Häusern waschen. Schlaglöcher auf dem Boden führen dazu, dass wir teilweise im Sitzen in die Luft hüpfen und „Adrenalinschübe“ bekommen. Man muss sich sehr gut festhalten, hier und da den Kopf einziehen, da ganze Bäume und Äste in den Weg ragen. Doch obwohl die Fahrt eher einer Verfolgungsjagd in einem Indiana Jones Film gleicht, genieße ich sie sehr. Fremde Gerüche, die rote Erde, kambodschanische Musik, hinduistische Mantras – einfach jede Sekunde prasseln andere authentische Eindrücke auf mich ein. Ja, du schönes Battambang – ich hoffe, wir sehen uns irgendwann wieder.

Mena auf dem Pick Up Truck

8 STUNDEN BOOTSFAHRT NACH SIEM REAP

Nach einer längeren Fahrt, kommen wir am Pier an. Wir müssen ein Stück durch das Grün laufen. Es ist zwar frisch, aber die Aussicht ist jetzt schon herrlich. Am Boot angekommen, nehmen wir auf der rechten Seite Platz und warten, bis die Bootsfahrt nach Siem Reap losgeht. Da es mich noch ein wenig fröstelt, hülle ich mir ein Tuch um den Kopf und die Schultern, bevor wir mit einem wundervollen Frühstück starten. Es gibt Avocado, Brot und Saft.

Schon bald wird es sehr warm, die Sonne ist nun aufgegangen und langsam treiben wir auf dem Sangkar River. Wir halten unterwegs an einem improvisierten Pier, welcher eher einem Floß gleicht. Darauf steht ein Kambodschaner mit einem Mofa. Er steigt ein und ladet eine größere Fracht, samt Mofa auf und setzt sich ganz nach vorne zum Bootsfahrer.

Leider hat Kambodscha eine Trockenperiode hinter sich. Der Flussstand ist sehr niedrig, weswegen wir immer wieder „steckenbleiben“. Der Mann mit dem Mofa hilft dabei immer wieder mit einem langen Stab und enormen Kraftaufwand, um das festgesetzt Boot voranzutreiben. Einmal kollidieren wir sogar mit Bäumen die von der Seite in den Fluss gewachsen sind und schütteln dadurch ein Nest von Riesenarmeisen auf das Boot. Nachdem die Ameisenplage vorüber ist, bemerke ich auf meiner Hose ein kleines Blatt. Beim genaueren Hinsehen bemerke ich, wie es sich bewegt. Es ist ein kleiner Blattkäfer. Total cool.

Wir fahren vorüber an kleinen Dörfern, die nur aus 4 Hütten bestehen. Menschen waschen ihre Kleidung im Fluss, Kinder in dreckigen Pyjamas stehen am Flussufer und starren uns an. Es ist ein unverfälschtes Bild Kambodschas, fernab der Städte. Traurigkeit kommt in mir auf. Wir sehen Slums am Flussufer, Menschen die dort schlafen und sehr dünn sind. Die dunkle Seite Kambodschas.

Allmählich wird der Fluss größer und die ersten schwimmenden Häuser tauchen auf. Erst kleine schwimmende Flößer, mit lückenhaften Welldächern, dann immer größere mit richtigen Wellbech-Häuser. Der Fluss wird zunehmend bunt. Man sieht Einheimische fischen, handeln, trinken, Kleidung waschen, Kinder spielen und Menschen ihre riesige Essensfracht von einem Boot auf das andere (während der Fahrt) umladen. Kiloweise Reissäcke, Mangos, Kokosnüsse und Bananen. Auch unser Boot wird während der Fahrt mit Fracht beladen – teilweise von Kindern die kleiner sind, als der Reissack selbst. Eines reicht seine Fracht während der Fahrt zu mir herüber, ich nehme sie ab. Dann springt es zu uns auf das Boot, nimmt den Karton ab und setzt sich auf das Bootsdach. Verrückt.  Diese Art der Beladung geschieht ein paar Mal – und alle Einheimischen und Bootsgäste helfen, wo sie können. Man hilft sich. Hier zählt die Gemeinschaft. In Deutschland wäre sowas undenkbar.

Fasziniert von dem offenen und liebevollen Gemüt der Kambodschaner, den Eindrücken, Klängen und Gerüche, habe ich mich bereits am 2 Tag in Kambodscha verliebt. Ich fühle mich wohl.

Immer wieder werde ich aus meinen poetischen Gedanken gerissen, wenn laute kambodschanische Psychodelic-Rock-Musik ertönt. Sie gefällt mir so unglaublich gut. Ganze Subwoofer und Soundanlagen sind auf den Flößern zu sehen. Armut? Ja! Kein Geld für Musik? Nein! Mir wird klar, dass Musik für Kambodschaner immens wichtig sein muss. Unterwegs sehen wir bestimmt 7 Hochzeiten auf den schwimmenden Dörfern mit toller Hindu- oder kambodschanischer Rockmusik. Farbenfroh mit Pavillons treiben diese Hochzeitsfloße auf dem Fluss.

Wir ziehen vorbei an improvisierten Schulen auf Flößern, Flößern mit Hühnern und Vieh, mit „Gärten“ und teilweise mit Krokodilen, die innerhalb der Flößer unter Wasser in einem Käfig gehalten werden. „Crocodile“ sagt der Fahrer und zeigt hier und da nach links, oder rechts. In der braunen, trüben Suppe sieht man dann die Krokodilaugen herausragen, manchmal den ganzen Kopf, oder auch den Schwanz. Der Fahrer erklärt auch, dass die Krokodile manchmal ausbüchsen. Dennoch sehe ich hier und da Kambodschaner in Fluss schwimmen. Mich schaudert die Vorstellung.

Nach 3 Stunden machen wir Stopp an einem Floß. Man kann dort auf die Toilette (Plumpsklo) und Getränke kaufen. Mena und ich kaufen uns einen kalten Espresso und setzen uns in die Sonne auf dem Floß. Gegenüber ist ein Floß mit Musikanlage und die Stimme von Ros Sorethay ertönt. Die Sängerin war in den 70ern in Kambodscha ein Rockstar. Leider haben die roten Khmer alles an Musik und Kunstform vernichtet. Platten sind also sehr rar und besonders. Ich weiß das, weil ich bereits vor meiner Reise ihre Musik für mich entdeckt habe. Ich genieße den Moment, den Kaffee und die Musik und bin glücklich.

Vogelperspektive Plumpsklo schwimmende Dörfer Kambodscha
Rast in den schwimmenden Dörfern – Pippipause

Die Bootsfahr geht weiter und langsam bekommen wir richtigen Hunger. Auf dem Floß zuvor gab es zwar warmes Essen, jedoch mit Fleisch – und da wir beide Vegetarierinnen sind, heißt es „Fasten“.

Der junge Mann mit dem Mofa, der immer wieder geholfen hat das Boot voranzustoßen, wirkt auf mich sehr interessant. Mir fällt auf, dass die Statur kambodschanischer Männer europäischen sehr ähnlich ist. Anders als in Thailand, oder Vietnam, sie die Männer hier eher von breiter und großer Statur. Haben große Füße und große Nasen, einen anderen Hautton.

Er hat offensichtlich Spaß, redet mit dem Fahrer, lacht viel. Hilft mit Gepäck und hat eine sehr sonnige Ausstrahlung. Irgendwann setzt er sich ein Stück weiter unterhalb des Decks hin und packt sein Proviant aus. Er holt eine Tüte mit Obstschnitzen heraus und eine andere mit einem Zuckergemisch. Dann streckt er mir die beiden Tüten hin und signalisiert mir, ich solle mit ihm essen. Ich lehne erst aus Höflichkeit ab, aber er lässt nicht locker und strahlt mich über beide Ohren an. Er gestikuliert wild und redet auf Kambodschanisch auf mich ein. Obwohl ich seine Sprache nicht spreche und er meine nicht, verstehen wir uns. Ich verstehe, ich solle einen Schnitz nehmen und in das Zuckergemisch eintauchen. Das mache ich. Saures Irgendwas trifft auf Erdbeerzucker. Es ist unfassbar gut und lecker und ehe ich mich versehe, holt er weiterer Proviant und streckt es mir entgegen. Ich esse mit und mache ihn damit glücklich. Unfassbar.  Dieser barfüßige Mann hat weniger als ich. Er treibt das Boot an, hat kaum etwas zu essen, seine Muskeln zeigen mir, dass er schwer arbeitet und alles was ihm einfällt, ist sein Tagesessen mit mir zu teilen. Einfach so.

Es ist immer so: die, die am wenigsten haben, geben am meisten. Ich bin sehr berührt, habe ein klein wenig Pippi in den Augen und bedanke mich mehrfach. Klingt komisch, aber auf eine spezielle Art und Weise, fühle ich mich zu diesem Mann hingezogen. Es ist seine Sanftmut, die Lebensfreude und die unverdorbene Aufrichtigkeit.

Nach weiteren 4-5 Stunden passieren wir den Ton le Sap. Ein sehr berühmter Fluss, der so groß ist, dass man den Horizont nicht sehen kann und man meint, auf einem Meer zu sein. Atemberaubend. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus und schon bald sind wir Siem Reap zum Greifen nahe. Der Kapitän und der nette Mann haben mittlerweile auch ihr erstes Bier aufgemacht. Der Pier rückt immer näher und schon jetzt schmerzt mich in Gedanken der Abschied.

2 Frauen mit Sonnenbrille und einem Schal um den Kopf und Hals auf einem Boot
Frische Temperaturen am Morgen in Battambang

Mena, die schon einmal vor vielen Jahren in Siem Reap war, bereitet mich mental darauf vor. Bittet mich vorsichtig zu sein, weil bei der Anliege stelle ein Haufen Menschen sind, die zum Betteln kommen. Doch als das Ufer von Siem Reap in Sicht ist, sehen wir keine Menschenmassen und keine Bettler, noch irgendwelche dubiose Gestalten. Wir steigen vom Boot und ich drücke dem Bootsfahrer und dem netten Mann, der sein Essen mit mir geteilt hat, 6 US-Dollar Trinkgeld in die Hand. Sie freuen sich sehr. An Land warten wir, bis die Gepäckstücke ausgeladen werden. Der nette Mann scheut auch hier keine körperliche Arbeit und übernimmt.

Als er mir meinen Rucksack reicht, steht er an Deck, sieht mich an und sagt „Bye bye, please take care!“. Es ist ein Abschied für immer. Und irgendwie tut er weh. Wir lächeln uns ein letztes Mal an. Er winkt, ich drehe mich um und wir laufen den Pier hoch. Ich drehe mich noch einmal um, sehe ihn als kleinen roten Punkt, auf dem Boot stehen.

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