Asiatische Kinder auf einem Reisfeld

BEI HAK ZUHAUSE

 
Unser Tag beginnt wieder sehr früh, nach einer Dusche und einem Frühstück.
Heute besuchen wir Hak in seinem Dorf, außerhalb von Siem Reap. Hierfür wird uns Hak mit dem Auto abholen.

Wie abgemacht erscheint er kurz nach dem Frühstück. Unterwegs hält er noch an einer Bank in Siem Reap und fährt dabei an einer Ampel über rot. Kurz danach hören wir hinter uns eine Sirene und sehen Blaulicht: die Polizei. Hak muss rechts ranfahren und argwöhnisch mustert uns der Polizist und schaut ganz genau in das Auto. Er bittet Hak auszusteigen. Hak steigt aus und jetzt bemerkt der Polizist die Beinprothese von Hak. Die zwei unterhalten sich regsam und nach 10 Minuten steigt Hak genervt in das Auto zurück. Er hat einen Strafzettel bekommen und fast das ganze eingenommene Geld des Tages, wird hierfür drauf gehen. Insgesamt fahren wir 1 ½ Stunden raus aufs Dorf und biegen irgendwann rechts auf einen roten Feldweg ab. Wir halten an einem Hof und sind da.
Dort werden wir bereits von Hühnern und Hunden begrüßt. Eine schwangere Dame sitzt außerdem an einem großen Holztisch draußen und hackt Fisch. Hak zeigt auf sie und sagt, dass es seine Schwester sei. Sie lächelt schüchtern.

Auf dem Boden liegt außerdem ein verletzter Hund mit einem Kräuterwickel um den Schenkel. Hak deutet auf das Haus, welches aus zusammengenagelten Brettern besteht und sagt, dass er uns gerne das Haus zeigen möchte. Wir laufen auf provisorisch zusammengenagelten Brettern auf eine Empore, quasi eine Art Baumhaus und stehen mitten in der Küche. Von dort geht es verwinkelt weiter mit provisorisch zusammengenagelten Brettern immer wieder eine Stufe höher, bis wir tatsächlich auf ein Baumhaus blicken, welches mittels Bretter zum Haupthaus verbunden ist. Er sagt, dass dies der Partyraum sei. Wir gehen ins Baumhaus und dürfen erst einmal ablegen und ankommen. Vom Baumhaus aus, sieht man über die ganzen Reisfelder, so weit das Auge reicht. Nirgends am Horizont ist ein Haus, oder etwas anderes zu sehen. Einzig und alleine Reisfelder. Der Anblick ist atemberaubend. Wir bemerken die Diskokugel und die dicken Soundboxen im Baumhaus. Auch hier wird wohl Musik großgeschrieben. Nach einer kurzen Pause, gehen wir wieder zu Hak. Er sagt, dass wir uns gerne das Dorf ansehen können.
Bepackt mit meiner Kamera, laufen wir durch das Dorf, welches aus einer einzigen geraden „Straße“ besteht. Die Straße besteht aus roter Erde und hier und da zieht Staub auf, sobald ein Landschaftsfahrzeug den Weg kreuzt.

Neurige Dorfbewohner

Die Bewohner sind sehr neugierig, stehen winkend und lächelnd vor ihren Häusern. Manchmal mit einem Huhn unter dem Arm, manchmal mit Babys auf dem Arm. Es hat sich herumgesprochen, dass Ausländer da sind. Ausländer setzen sie mit Hoffnung gleich, denn für gewöhnlich bleiben diese Ausländer für eine Weile bei Hak, um den Kindern hier Englisch zu unterrichten. Wir werden mit offenen Armen empfangen und fast alle Dorfbewohner zieht es aus ihren Häusern, um uns zu begrüßen. Meine Angst ist wie ausgelöscht. Menschen auf Landschaftsfahrzeugen winken uns zu, Frauen in den Reisfeldern lächeln uns an, kleine Hunde kommen zu uns und als wir an der Schule mit den offenen Fenstern vorbeilaufen, stürmen alle Kinder von ihrem Platz und schreien und winken wie wild aus dem Fenster. Alle 5 Sekunden zücke ich meine Kamera und mache die wohl authentischsten Reisefotos von einem typisch kambodschanischen Alltag.

Nach kurzer Zeit endet auch schon das Dorf und damit auch die „Straße“. Wir kehren zurück zu Hak und gönnen uns erst einmal ein kaltes Wasser. Hak bietet uns an, uns ein wenig auszuruhen, ehe die Schule aus ist und alle Eltern ihre Kinder vermutlich zu ihm auf den Hof schicken – weil sich herumgesprochen hat, dass es heute Englischunterricht gibt.

Nach einer kurzen Rast, kommen auch schon die ersten Kinder. Wir warten, bis sich alle versammelt haben und setzen uns dann im Hof auf den Boden. Dort breiten wir die Plastik-Magnet-Buchstaben aus, die Mena und ich einen Tag zuvor in einem Supermarkt in Siem Reap gekauft haben. Ich begine zu sprechen: „Hello, my name is Laura. What is your name?”. Ich schaue ein kleines Mädchen an und bekomme keine Antwort. Von niemandem. Mir wird klar, dass sie mich nicht verstehen und so beginne ich meinen Namen mit den Buchstaben zu legen und deute auf mich selbst. Dann bitte ich, jeden einzelnen seinen Namen zu legen. Wir benötigen dafür fast 2 Stunden, denn erschreckenderweise wissen die Kinder nicht mal ihren Namen in Englisch. Nachdem alle ihre Namen gelegt haben, gibt es dann eine Belohnung: wir verteilen Lollis und Bonbons und es ist Zeit zum Spielen.

Die Kinder schnappen uns an unseren Händen und ziehen uns hinter das Haus auf das Reisfeld. Barfüßig rennen wir willkürlich und wahllos durch die Felder. Ich denke dabei an die vielen Minen, die hier einst lagen und die Hak sein Bein kosteten. Ängste steigen auf. Hier und da stolpern die Kinder und fliegen in den Matsch und lachen wild drauf los. Wir rennen eine Stunde hin und her, ganz ohne Spielzeug, ganz ohne Plastik und Computer, Hand in Hand. Immer wieder fallen mir die Mädchen um den Hals und umarmen mich. Das Lachen ist so ansteckend und für kurze Zeit bin ich wieder 8 Jahre alt. Die in mir aufsteigenden Glücksgefühle sind nicht in Worte zu beschreiben, aber sie rühre mich zu Tränen und bringen mich zum Lachen. Ich blicke zu Mena und ihr scheint es genauso zu gehen.
 
Als die Sonne allmählich ihre Kräfte verliert müssen die Kinder nach Hause. Sie heften sich an unsere Beine und wollen nicht, dass wir gehen. Ein paar der Mädchen, beginnen sogar zu weinen, so sehr haben sie uns ins Herz geschlossen. Wir machen noch ein Gruppen-Selfie und dann heißt es Abschied nehmen.
Haks Schwester hat außerdem für uns zu Abend gekocht. Hungrig stürzen wir uns auf das Curry. Im Anschluss fährt uns Hak wieder 1 ½ Stunden nach Siem Reap.


Ich hoffe, dass ich diese Kinder eines Tages wieder besuchen kommen kann.
Es war ein ganz besonderer Tag, mit einem Einblick, den nicht jeder Tourist bekommt. Der Tag hat mir außerdem einen tiefen Einblick in mein Innerstes gegeben und ich beginne aufrichtig an meinem Leben im überzüchtigten Deutschland, in all seinen Facetten zu zweifeln…

Es ist herzzerreißend,
wenn man auf einmal fühlt.

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