Am oberen Teil des Piers angekommen, halten wir Ausschau nach einem TukTuk.
Unsere Unterkunft habe ich bereits von Battambang aus via AirBnB gebucht und darin war der Transfer zur Unterkunft inklusive. Wir haben eine kleine, restaurierte Khmer-Hütte als Homestay. Das bedeutet, dass wir zusammen mit Einheimischen leben. Ich liebe Homestays und bevorzuge sie vor allen anderen Arten. Durch Homestays erlebt man den landestypischen Alltag und kommt in direkten Kontakt mit Einheimischen. Man kann viel über kulturelle Perspektiven und Riten lernen und außerdem ist das Essen meistens ziemlich geil!
Irgendwann entdecken wir einen TukTuk-Fahrer und nach kurzem Hin- und Her, sind wir uns sicher, dass er zu unserer Unterkunft gehört. Wir setzen uns hinten rein, klemmen das Gepäck zwischen die Beine und fahren ca. eine dreiviertel Stunde durch Siem Reap.
Unterwegs entdecke ich immer wieder, in den Feldern, die hochgebauten Stelzenhütten der roten Khmer. Ich habe sie schon vom Taxi aus nach Battambang gesehen. Sie sind unverkennbar in ihrem Aussehen und jedes Mal läuft mir ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal auf den Film „Der weite Weg der Hoffnung“ verweisen, bei dem Angelina Jolie die Regie hatte. Ich habe ihn bereits in meinem allgemeinen Beitrag über Kambodscha erwähnt.
HOMESTAY SIEM REAP
Als wir die ländliche Gegend hinter uns gelassen haben, fahren wir ein Stück durch Siem Reaps Zentrum und biegen dann in eine unscheinbare Gasse ab. Wieder einmal zeichnen sich Wege aus der roten Erde Kambodschas. Staub wird aufgewirbelt und in der Luft liegt wieder ein roter Dunst.
Wir biegen in einen Hof mit Hunden ein. Endlich. Wir sind da. Wir werden dort bereits von einem kleinen Mädchen und ihrer Mutter begrüßt. Es ist ein sehr herzlicher Empfang und man begegnet uns mit großem Interesse. Das Mädchen hängt ab der ersten Minute an uns. Die nächsten Tage, wird sie unser größter Fan sein.
Die Mutter stellt sich vor. Sie spricht akzeptables Englisch und stellt uns sofort ein Glas Wasser und frische Wassermelone hin. Sie zeigt uns unseren Bungalow und er übertrifft bei weitem die Fotos. Über einen Mini-Bach mit Fischen darin, laufen wir zu unserer ebenerdigen Terrasse zu dem typischen „Khmer Hut“. Große, schwere Holztüren mit Schnitzereien werden aufgesperrt, das Licht im Inneren angemacht und die Klimaanlage angeschaltet. Es ist wunderschön und super sauber.
Wir sind so schmutzig und erschöpft, dass wir erst einmal unter die Dusche springen, etwas Frisches anziehen und dann auf unserer Terrasse sitzen, um herunterzukommen und uns mit dem WLAN zu verbinden. Wir waren den ganzen Tag offline.
Hühner laufen in dem natürlichen Garten um unseren Bungalow herum, Vögel zwitschern, irgendwo bei den weit-entfernten Nachbarn läuft hinduistische Musik. Dieser Ort ist eine Idylle – und das voll im Zentrum.
Nach 1-2 Stunden Pause, machen wir uns dann doch auf den Weg. Wir möchten zu einem Supermarkt, Bier kaufen. Außerdem haben wir Hunger. Riesenhunger.
Mit nassen Haaren und Shorts, laufen wir die Straße, die wir gekommen sind, zurück und finden schon bald einen Mini-Supermarkt. Dort besorgen wir uns ein paar Flaschen Angkor Bier.
Wir gehen weiter in das Zentrum, weg von den erdigen Landwegen und suchen irgendwo eine Schnellküche. In einem kambodschanischen Straßenrestaurant werden wir fündig. Ich bestelle mir ein rotes Khmer Curry – und Bier. Als das Essen serviert wird, zähle ich unzählige ganze, rote Chillies. Zum Glück, bin ich scharfes Essen gewohnt, denke ich und stürze mich auf das Essen.
Nach dem Essen laufen wir noch ein wenig durch die Gegend und kehren dann erschöpft zum Apartment zurück. Wir sprühen uns mit Moskitospray ein, setzen uns auf die Terrasse, trinken kaltes Angkor Bier und reden, bis wir irgendwann so müde sind, dass wir ins Bett fallen.
HELLO SUNSHINE
Als ich am nächsten Morgen meine Augen aufmache, fällt ein heller, gelber Sonnenschein bereits durch die Fenster. Draußen hört man Hahn und Henne. Ich habe sehr gut geschlafen und das tolle Wetter überträgt sich direkt auf meine Stimmung. Ich torkle ins Bad, putze mir die Zähne, dusche und setze mich barfuß raus auf die Terrasse in die Sonne. Es ist wundervoll.
Wenig später sitzt auch Mena frisch geduscht neben mir. Wir bekommen eine Kanne Jasmintee, Kaffee, frische Ananas, Melone und ein doppeltes Toastbrot mit Käse und Rührei darin. Lecker! Auch Sorothea ist da und himmelt uns an.
Den heutigen Tag gehen wir gemütlich an. Wir ruhen uns aus, erkunden die Innenstadt Siem Reap, gehen auf den Nachtmarkt und decken uns mit langärmliger Leinenkleidung ab. Heute sind wir bereit für das Nachtleben Siem Reap.
NACHTLEBEN VON SIEM REAP
Wir beschließen auf die bekannte Pub Street Siem Reap zu gehen. Das ist quasi eine Art Khao San Road (Bangkok). Hier reihen sich Clubs an Bars, überall leuchtet und blinkt es und die Musik dröhnt laut aus den Boxen auf die Straße. Wer in Siem Reap feiern und Party machen möchte, ist hier in der Pub Street gut aufgehoben. Für unseren Geschmack, ist es ein wenig „zu viel“ von allem.
Wir suchen eine alternative Bar mit Heavy Metal und Rockmusic, werden aber bitter enttäuscht. Wir setzen uns in eine Bar, die von der Musik für uns am akzeptabelsten ist und trinken dort ein paar Bier.
Als wir genug haben und Siem Reaps Pub Street verlassen möchten, schlendern wir die Straße entlang, als wir auf einmal ein bekanntes Gesicht in einer Bar entdecken. Es ist Mike, ein junger Holländer, den wir bereits schon im Boot nach Siem Reap kennengelernt haben. Er winkt uns zu und wir beschließen uns, ihm Gesellschaft zu leisten.
Wir trinken 1-2 Bier und tauschen uns über unsere Erfahrungen mit unserer Kambodschareise aus und entdecken viele Gemeinsamkeiten. Doch die Müdigkeit holt uns ein.
Auf dem Heimweg halten Mena und ich noch an einem Supermarkt, kaufen uns Angkor Bier und ein paar Snacks. Wir wollen noch eine Runde auf unserer Terrasse quatschen. Das Feierabend Bier wird allmählich zum Ritual 😉
Als wir in unserer Unterkunft ankommen, entdecken wir einen wunderschönen, tropischen Frosch an einer unserer Stühle. Wir setzen uns hin, sprühen uns mit Nobite Moskitospray ein und lassen den Abend gemütlich ausklingen. Bye Bye Pub Street Siem Reap – morgen geht es wo anders hin!
LANDMINEN IN KAMBODSCHA – DAS ERBE DES KRIEGES
„Faszinierend, wie fröhlich Menschen sein können, faszinierend, wie leicht ein Lächeln ist. In Deutschland lächelt man viel zu wenig.”
Laura Wolf
Am nächsten Morgen erwartet uns wieder ein grandios-leckeres Frühstück und tollstes Wetter. Auch die Tochter der Besitzerin umlagert uns bereits. Wir vereinbaren einen Preis mit unserem TukTuk Fahrer und fahren raus, in das Umland von Siem Reap. Der Fahrtwind bläst uns um die Ohren, aber die Temperaturen sind warm und das Wetter herrlich. Unterwegs fahren wir vorbei, an Straßenhändlern, Schulkinder, Büffel, Landleute und bekommen Einblicke in das authentische Landleben Kambodschas.
Dabei wird uns immer wieder zugewunken, oder wir werden angelächelt. Zückt man die Kamera, lächeln die Menschen und freuen sich darüber, fotografiert zu werden. Obwohl wir durch die Geschwindigkeit an diesen Kulissen vorbeirauschen, werden wir von Freundlichkeit und Warmherzigkeit umgeben. Faszinierend, wie fröhlich Menschen sein können, faszinierend, wie leicht ein Lächeln ist. In Deutschland lächelt man viel zu wenig.
Mena und ich erfahren Glücksgefühle, merken wie uns diese Fröhlichkeit rührt. Ehe wir uns versehen, haben wir ein klein wenig Pipi in den Augen. Alles fühlt sich so leicht an. Das Leben ist leicht. Das ist Leben ist schön. Man braucht nicht viel zum Leben. Manchmal nur ein Lächeln. Innerlich fahren meine Gefühle Achterbahn, sie gleichen einer Sinuskurve.
Als wir am Landminen Museum Siem Reap ankommen, bin ich schon alleine durch die Fahrt dorthin geplättet. Wir möchten gerade unseren Eintritt zahlen, da taucht Mike auf. Wir brechen in Gelächter aus (3. Begegnung) und gehen gemeinsam in das Museum. Dabei hängt sich ein Kambodschaner namens Hak Hort an unsere Gruppe. Er hat ein gutes Englisch und gibt uns eine kleine Führung – umsonst, denn Hak arbeitet ehrenamtlich in dem Museum. Er möchte Aufklärungsarbeit leisten.
Hak Hort hat eine Beinprothese aus Holz. Den Rest, kann man sich denken. Seine Geschichte ist sehr bewegend, diese sollte ich später noch erfahren. Hak Hort wird außerdem das erste Portrait meiner Reihe „FACES OF CAMBODIA“ sein (ihr dürft gespannt sein). Seine Geschichte muss erzählt werden.
Das Landmienen Museum zeigt gesammelte Bomben, Minen und Granaten. Dabei werden diese stellenweise exemplarisch vergraben. Man kann sich die Tücken, über unerprobtes Land zu laufen, dadurch umso besser vorstellen.
Besonders interessant und schockierend zugleich, sind auch die vielen verschiedenen Arten von Landminen – nach Ländern sortiert. Hak Hort fragt uns, woher wir stammen. Als wir „Germany“ und „Netherlands“ nennen, entspannt sich sein Gesicht ein wenig. Obwohl diese Länder nicht aktiv im Krieg waren, haben die Deutschen trotzdem Waffen und Minen geliefert. Wir tragen eine Mitschuld.
Heftig wird es bei den Minen aus Russland, den USA und den aus Vietnam. So gab es Minen mit unterschiedlichen Zerstörungspotential z.B.:
- Minen die Gliedmaßen wegsprengen, den restlichen Körper aber „ganzlassen“. Ziel: Gezielte Verstümmelung.
- Minen die einen Menschen komplett in die Luft sprengen. Ziel: Eliminierung.
- Minen die ein Glied (meist ein Bein) wegsprengen und sich nach hinten „entleeren“, damit die Person hinter dem Minenauslöser von dem Pulver „zerfressen“ wird und dabei stirbt. Ziel: Verstümmelung & Eliminierung.
- Minen denen rostige Nägel beigemischt wurden, damit diese sich bei Detonation in Augen und Körper bohren. Ziel: Eliminierung & Folter.
usw.
Hak Hort erzählt diese Dinge sehr trocken. Ich selbst kämpfe mit Wut und Trauer, merke wie mich die Grausamkeit, zu den Menschen fähig sind, mitnimmt. Wie auch bereits im Kriegsmuseum in Vietnam, kullern Tränen. Ich fühle mich schuldig und ganz klein. Ganz klein, als weiße Frau aus dem Wohlstands-Deutschland.
KAMBODSCHA HEUTE: DAS SIND 7 MILLIONEN LANDMINEN
Als wir den Raum betreten, in dem erläutert wird, wie Minen nach dem Krieg geborgen wurden und wie man sie heute entfernt, setzt das dem Ganzen ein Krönchen auf. So hat man früher mit Stöcken und Messern die Minen geborgen. Zahlreiche Kambodschaner haben dabei ihr Leben verloren.
Die Hauptverursacher Russland und die USA hingegeben, haben sich bei den Aufräumarbeiten wenig beteiligt. Das Land ist heute noch mit mehr als 7 Millionen Landminen vermint. Täglich sterben auf diese weiße 3-4 Menschen, oft Kinder, die glänzendes Metall in der Erde für Spielzeug halten. Die blutige Erde Kambodschas.
Ich sehe mich im Raum um und sofort fällt mir ein älterer Herr mit eindeutigem US-amerikanischem Akzent auf. Er war bereits in den anderen Räumen immer wieder im Hintergrund zu bemerken. Er trägt ein dreckiges Hawaiihemd, Shorts und halbkaputte Sandalen. Wir kommen mit ihm ins Gespräch. Seine Geschichte wird das zweite Portrait meiner Reihe „FACES OF CAMBODIA“.
Als wir allmählich zum Ende kommen, beginnen Mena und ich noch ein Gespräch mit Hak. Wir möchten wissen, wie er zu dieser ehrenamtlichen Tätigkeit kam und löchern ihn mit Fragen, bis er uns seine Geschichte erzählt und uns zu sich und seine Familie nach Hause, auf das Land in Siem Reap, einlädt. Eine Chance, die wir vielleicht kein zweites Mal bekommen…
NEW POST: Erster Teil meiner Reihe „FACES OF CAMBODIA“, im Portrait Hak Hort.
Die Tempel von Angkor sind nicht nur ein wichtiger historischer Ort, sondern auch
ein wunderschönes Beispiel für die Architektur und Kunst der Khmer-Kultur.
Absolut. Ich persönlich mag auch total die Unterschiede der hinduistisch-geprägten Architektur im Vergleich zu der buddhistisch-geprägten.